Donnerstag, 28. August 2014

Seit ich fühle, habe ich Goethe gehaßt, seit ich denke, weiß ich warum*

Überraschend gering scheint mir heute bisher die Würdigung von Siegfried Unselds Hochzeitstag - der angemessenerweise am Geburtstag des ähnlich großen Dichters Johann Wolfgang Goethe stattfand. Unseld hat sich selbst für seinen Grabspruch Hesses „Stufen” ausgesucht und damit zugleich auf ein einschlägiges Zitat des Olympiers verzichtet.

Am 28. August 1749 wurde Johann Wolfgang Goethe in Frankfurt am Main geboren. 1811 veröffentlicht er seine Autobiographie „Dichtung und Wahrheit” und beginnt mit den Worten:




Am 28. August 1749, Mittags mit dem
Glockenschlage zwölf, kam ich in Frankfurt
am Main auf die Welt. Die Constellation
war glücklich; die Sonne stand im Zeichen der
Jungfrau, und culminirte für den Tag; Ju¬
piter und Venus blickten sie freundlich an,
Merkur nicht widerwärtig; Saturn und Mars
verhielten sich gleichgültig: nur der Mond,
der so eben voll ward, übte die Kraft seines
Gegenscheins um so mehr, als zugleich seine
Planetenstunde eingetreten war. Er wider¬
setzte sich daher meiner Geburt, die nicht eher
erfolgen konnte, als bis diese Stunde vor¬
übergegangen.

So gefunden beim Deutschen Textarchiv


Im Ernst - es gibt schon schlechtere, derer am Geburtstag gedacht wird. Und der Weimeraner, den so viele immer wieder krampfhaft zum Frankfurter, andere sogar zum Hessen, machen wollen, ist bestimmt einmal im Jahr eines Gedanken wert - was fällt mir zu Goethe ein?

Ein guter Freund hatte an der Wand ein wahrlich ikonographisches Bild  (bei anderen war das „Marilyn, reading Ulysses”):


Nach dem Bild ist das möglichst unbefangen und assoziativ der Faust, ein paar Gedichtfetzen („Warte nur, balde ...” ; „ ... in seinen Armen das Kind ...”, „Röslein sprach ...”, ...), aus dem „Diwan” eins meiner Lieblingszitate: „Getretener Quark wird breit, nicht stark” und ein bisschen Prosa aus „Dichtung und Wahrheit”.

* Ludwig Börne in einem seiner „Briefe aus Paris” 

Börnes oft zitierter „Hass” auf Goethe ist natürlich kein kreatürlich-verabscheuender, Börne hasst intellektuell: gerade weil er Goethes außergewöhnliche Kunst kennt und würdigt, verachtet er den äußerlich servilen Fürstenknecht, der seinen Olymp nicht nutzt, um von dort mit Unterdrückung und  Fürstenherrschaft abzurechnen (wie Börne das von ganzem Herzen tut). Spätestens seit dieser Kontroverse müssen wir anerkennen, dass hohe Dichtkunst noch lange kein Zeichen für politische oder gar menschliche Qualität bietet. Glücklicherweise können wir heute ja Goethe und Börne lesen. Beider Werke sind natürlich längst gemeinfrei und auch online in durchaus erträglichen Formen digitalisiert zu finden. Ich empfehle die wikisource-Aufstellung zu Goethe und ebenso zu Börne.

edit I:

Bei heise online erschien zum gleichen Anlass ein Artikel zur geplanten historisch-kritischen Online-Ausgabe von Goethes Werke


und

edit II

In der FR schreibt der Tübinger Professor Wertheimer über den West-Östlichen Diwan: 

Goethe zeigt, wie es geht. Mit dem Mut, Denkschablonen abzustreifen; und auch mit Wut und „Unmut“, wenn’s sein muss! Und es muss sein, wenn es darum geht, sturen Dogmatismus – jeder Couleur – zu attackieren und ins Leere laufen zu lassen – durch ein schlichtes Bekenntnis zur Freiheit des Denkens:
„Mir gefällt zu konversieren,/ Mit Gescheiten, mit Tyrannen./ Da die dummen Eingeengten/ Immerfort am stärksten pochten,/ Und die Halben, die Beschränkten/ Gar zu gern uns unterjochten,/ (...) Dich vermag aus Glaubensketten/ Der Verstand allein zu retten,/ Dem du schon Verzicht getan.“


Dienstag, 26. August 2014

Tony Vaccaro fotografierte Pfungstadt

Vor einigen Jahren habe ich unter einer Menge von Fotografien zum Kriegsende 1945 ein Foto entdeckt, das ein Pfungstadt-Motiv zeigt - einen ganz selbstverlorenen jungen Schlittschuhläufer vor der Villa der Brauereibesitzerfamilie Hildebrand, die die Amerikaner beschlagnahmt und als „Chateaux Mo” zum Offizierskasino umgenutzt haben.


                                                      Villa Hildebrand. Bahnhofstraße 



Weitere Recherchen ergaben, dass das von dem später prominenten US-Fotografen Tony Vaccaro aufgenommen wurde. Vacccaro war nach seiner Zeit als Soldat für einige Monate für die Europaredaktion der US-Soldatenzeitung Stars and Stripes tätig, die unmittelbar nach der Befreiung in Pfungstadt auf Maschinen druckte, die die Frankfurter Zeitung vorsorglich ausgelagert, aber nie in Betrieb genommen hatte. Ich nahm Kontakt mit seinem Galeristen Reinhard Schultz in Berlin auf und erfuhr von ihm, dass es ein ganzes Konvolut von Pfungstadt-Fotografien gibt.

Das Pfungstädter Stadtarchiv erwarb großformatige Abzüge und stellte sie in einer gut besuchten Ausstellung, bei der Reinhard Schulz anwesend war, für einige Wochen in der ehemaligen Synagoge aus. Heute sind die Bilder im Stadtarchiv eingelagert.

Kürzlich erfuhr ich über seinen Facebook-Account, dass Tony Vaccaros italienische Heimatstadt Bonofrio kürzlich eine Ausstellung für den großen Fotografen eingerichtet hat. Hier ist ein italienischer Pressebericht über Vaccaros Besuch in seiner Heimatstadt.





Im „Normandie-Memorial” findet sich eine ausführliche Würdigung Vaccaros mit ein paar Videoclips und ausführlichen Informationen über die dortige Ausstellung (bis 31.12.14).

Dieser schöne Anlass hat dazu geführt, dass wir uns mal wieder austauschten, und ich habe Reinhard Schultz  ihn gebeten, hier ein paar der wunderbaren Pfungstadt-Bilder zeigen zu dürfen. Er hat das gerne erlaubt. Natürlich zeige ich hier nur eine niedrige Auflösung der Fotos, und natürlich besteht darauf das Copyright der AgenturBilderwelt, das ich zu beachten bitte. 

Vielleicht hat ja die eine oder der andere Lust, die Orte der Bilder heute aufzusuchen und aus der gleichen Perspektive neu zu fotografieren?



Kaplaneigasse 

Berliner Straße 

Ecke Eberstädter/Bahnhofstraße Nordseite

Fabrikstraße. Das Gelände der ehemaligen Druckerei 

Ecke Eberstädter/Bahnhofstraße, Südseite. Das heute verschwunden Hotel Strauß

Eberstädter Straße nach Westen von der Ecke zur Waldstraße 

Rheinstraße nach Osten 


Sonntag, 24. August 2014

Bücher als Repräsentationsmöbel - heute hui, morgen ...

Immer wieder erreichen mich Angebote von Buch-Resteverkäufern, vulgo Ramschern, die offenbar trotz des triumphalen Siegeszuges der E-Books ganz gut mit der Drittverwertung von Gedrucktem über die Runden kommen.

Ich sehe die meist in „2001-Manier” kleinformatig und auf Dünndruck-Bibelpapier hergestellten kleinen Kataloge gerne durch. Oft finde ich Bücher angeboten, die ich aus Geld- oder anderen Gründen beim Erscheinen nicht gekauft habe, regelmäßig finden sich da voluminöse Ausstellungskataloge, die ich mir mit oder ohne Besichtigung derselben verkniffen habe zu kaufen und natürlich amüsieren oder ekeln mich die Abgründe von Militaria und Softpornos, die offenbar erheblich zum Umsatz beitragen.
Kaufen tue ich da allerdings nur selten; ich habe ja unter dem Eid zu leiden, mit dem ich meiner Gattin zugesagt habe, für jedes neue Buch im Haus zwei alte wegzugeben ...

Ein besonderes Kapitel sind aufwändige Faksimiles, die ebenfalls regelmäßig in den Angeboten auftauchen. Viele davon sind vor fünf, sechs Jahren mit ganzseitigen Zeitschriftenanzeigen, hochwertigen Editionsprospekten und vermutlich sogar via Hausbesuch beworben worden. In manchen Familien sind so für viele hundert, manchmal sogar einige tausend Euro vermeintliche Wertsachen angeschafft worden, die eines Tages, spätestens nach dem Tod des Erwerbers, zur krassen Enttäuschung (noch) lachender Erben werden können. Ich persönlich sehe nur einen einzigen Anlass für die Herstellung von Faksimiles: das ist die Gelegenheit, Menschen bemerkenswerte Werke der Buch- und Druckkunst zum Anfassen nahe zu bringen, ohne die Originale zu schädigen. In einigen Museen und Ausstellungen habe ich das so angewandt gesehen und gut gefunden. Ernsthafte Forschung wird aber immer zum Original gehen, und reines Lektüreinteresse können natürlich weniger aufwändige Reproduktionen und erst recht Digitalisate befriedigen.

Verblüffend ist das Geschäft mit den Nachdrucken auch, weil es ja einen riesigen Markt voller Originale gibt. Antiquare können ganze Opern darüber singen, wie schön und günstig sie wertvollste Originale aus fast jedem Interessensgebiet von Wissenschaft und Kunst anbieten können, und wie laienhaft und peinlich der Stolz auf Nachgemachtes häufig wirkt - ganz abgesehen von dem Jammer, der bei den erwähnten scheinbar reich gewordenen Erben geweckt werden muss, wenn diese die „Schätze" versilbern wollen.

Gerade eben bietet man mir das Faksimile eines Chirurgiefachbuches von 1844 an („230 S., 60 ganzs. Tafeln, 30 x 39 cm, Goldprägung, Rücken in Seidenleinen, handgebunden in genarbtem Cabra-Leder”). Ich will jetzt gar nicht über die Hybris der Buchausstattung spotten - die paar Euro mehr für echtes Leder z.B. hätten schon drin sein können ... Aber: der Band wurde für sage und schreibe 519 € verkauft. Nun gibt es also sicher irgendwo den eine oder anderen Oberarzt, der sich das Ding entweder mal selbst geleistet hat oder, mindestens ebenso wahrscheinlich, es als repräsentatives Geschenk erhalten hat. Heute gibt's das auf der Resterampe für 49,90 € (ich nenne auf Anfrage gern den Anbieter). An anderer Stelle finde ich gerade: „Erwerben Sie hier eine wahre Rarität zu einem absolut top Preis.(370 statt 1.700 € - pb) Die Bibel wurde als Renditeobjekt erworben und ist absolut ungelesen!” Zur Suchfolge „faksimile wertvoll sonderangebot” nennt Google knapp 100.00 Fundstellen.

Mein völliges Unverständnis bei diesem Geschäft ist, ob sich denn Verlag und Händler nicht bewusst sind, dass sie mit dem kleinen Extraprofit dieser Ramschverkäufe ihren Markt zerstören - oder, wenn das nicht der Fall ist, wie zwei dann wohl ganz voneinander getrennte Märkte für die gleiche Ware tatsächlich nebeneinander her existieren können.

Noch einmal: ich anerkenne jede Berechtigung von Ramschverkäufen, und gelegentlich dient das ja auch zur Erkenntnis über den durchsetzbaren Preis von Büchern (manche Reihenwerke oder Werkausgaben sind für den Ramsch zum dort gefundenen Marktpreis x-fach öfter nachgedruckt worden als in der Originalausgabe). Bei teuer verkauften Faksimiles fehlt mir dagegen jedes Verständnis, falls es sich nicht um Notverkäufe handelt (was dann allerdings nicht für die Rentabilität von Faksimile-Produktion sprechen würde).

Freitag, 22. August 2014

Armut ist eben gewiß kein großer Glanz von innen, wie Vater Rilke das nannte, sondern eine einzige Sauerei*

Gestern Abend haben wir zur altenfreundlichen Aufführungszeit um kurz nach 18 Uhr zusammen mit überraschend zahlreichen weiteren 55 - 70jährigen im Darmstädter Bambi-Kino „Wir sind die Neuen" gesehen.

Was nicht der Rede wert wäre, wenn ich nicht inzwischen - nach dem Kinobesuch - zwei Kritiken gelesen hätte, zu denen ich jetzt noch ein paar Bemerkungen habe.

Am 16.7. hat Oliver Kaever den Film in der ZEIT besprochen, am 20.7. Martina Knoben in der Süddeutschen.

Wir hatten viel Spaß in der wunderbar erzählten Geschichte, bei der der clash of generations witzig und lebensnah präsentiert wird. Und wir haben zusammen mit dem anderen Publikum ständig vergnügt eigene Erfahrungen und Vorurteile wiedererkannt.

Schneeberger, Lauterbach und der wunderbare Michael Wittenborn, der mich ständig nachdenken ließ, woher ich ihn bloß kenne, weil mir sein ganzer Habitus so vertraut war, füllen den Film mit echter Schauspielkunst. Und auch mit weniger Tiefgang wäre der Film schon der drei wegen allemal einen Besuch wert.

Interessanterweise ist es aber gerade ein Stück Tiefgang, den die beiden Rezensenten außer Acht lassen. Die drei Alten werden bis zur Karikatur als ärmlich beschrieben; Schneeberger, die als Anne den Anlass für die WG-Renaissance gibt, muss das tun, weil ihr Geld für eine eigene Wohnung nicht ausreicht, und auch der Jurist Johannes (Wittenborn) lebt - freundlich formuliert - höchst bescheiden. Lauterbachs Eddi scheint allerdings überhaupt keine Biographie zu haben. Die drei-Zimmer-Schlichtwohnung, die die drei schließlich für ihre WG finden, bekommen sie nur, weil Lauterbach sich zur rechten Zeit an die Mutter der Maklerin erinnert (und die an ihn: „Er war ein Arschloch, aber eines der besseren"); sie harrt der Sanierung. Die Möbel, mit denen die drei zusammen ziehen, spotten jeder Beschreibung, die Küche wirkt, als käme gleich Inge Meysel zum Kartoffeln schälen dazu.

Zwei andere alte Freunde, die ebenfalls für das WG-Projekt angefragt werden (unter anderem Gustav Peter Wöhler, der im wirklichen Leben viel zu jung für diese Rolle ist, seine Sache aber ganz großartig macht), leben dagegen in demonstrativ als luxuriös vorgeführten Umständen und verweigern sich mit ätzendem Spott über das Scheitern der alten Freunde.

Ich frage mich, ob es mehr als Klischee ist, dass es den Armen leichter fällt, anständig zu bleiben. Hier jedenfalls wird das fast schmerzhaft deutlich vorgeführt.


*Kurt Tucholsky, Brief an Nuuna, Mai 1934

Nachsatz. Habe grade hier noch ein schönes Interview mit dem Regisseur Ralf Westhoff gefunden, wo „Altersarmut" als Thema des Films erwähnt wird

2. Nachsatz: ich bin jetzt wiederholt auf das reale Alter der Schauspieler angesprochen worden (weil ich Wöhler als jünger empfand). Also Schneeberger: Oktober 1948, Heiner Lauterbach: April 1953, Michael Wittenborn: Mai 1953 und Gustav Peter Wöhler: Juli 1956. Alle Daten aus wikipedia. Bis auf Schneeberger spielen also alle Rentner, obwohl sie im wirklichen Leben wohl noch keine sind. Ob das eine besonders subtile Form von Altersdiskriminierung ist?

Donnerstag, 21. August 2014

Sitten und Gebräuche fremder Zeiten

Unsre Besuch in Heidelberg hat mich an ein Verfahren erinnert, das offenbar im Orkus verschwunden ist: die Vorlage bei der Universitätsbibliothek.

 Die Heidelberger Universitätsbibliothek 


Die Buchhandlung, in der ich meine Lehre machte, war von der Heidelberger Unibibliothek zur regelmäßigen Vorlage eingeladen. Neuerscheinungen aus den Fachgebieten, die unserer Buchhandlung entsprachen (und irgendwie auch zugewiesen waren), wurden einmal im Monat in einem abgeschlossenen Raum der Bibliothek auf einem Tisch drapiert. Ich erinnere mich an gelegentliche Wutanfälle meines Chefs, wenn andere Buchhandlungen Bücher vorlegten, die seiner Ansicht nach alleine in unsere „Zuständigkeit" gehört hätten.

Heidelberg, Unibibliothek, Treppenhaus 

Zu den Büchern musste eine nach den Wünschen der Bibliothekare geführte Liste und für jedes Buch ein ebenfalls nach Vorschrift gestalteter Einlagezettel mitgeliefert werden. Binnen der nächsten Tage flanierten dann die (wenigen) Damen und Herren Universitätsdozenten an diesem Tisch vorbei, prüften die vorgelegten Titel und entschieden, ob sie sich zur Anschaffung eigneten. Irgendwann pilgerten wir dann wieder in die Bibliothek und holten die Bücher - alle wohlgemerkt! - wieder ab. Manche durften dann entsprechend der Aufträge der Bibliothek mit dem zu gewährenden „Bibliotheksnachlass” von 5 % in Rechnung gestellt und geliefert werden.

Heute kommt mir dieses Verfahren, das für uns von hoher Bedeutung war, nicht nur wegen der erzielten Umsätze, sondern weil es die Kompetenz der Buchhandlung als „Universitätsbuchhandlung” dokumentierte, regelrecht archaisch vor. Es ist jedenfalls ein Hinweis auf die erhebliche Kompetenzverschiebung, die sich hier manifestiert: 1978 war noch ganz selbstverständlich, dass der Buchhändler wusste, welche Neuerscheinungen in „seinem” Fachbereich von Bedeutung waren. Das akademische Personal hatte nur sehr ausgewählten Zugriff auf entsprechende Informationen,  die Verlagswerbung wandte sich fast ausschließlich an den Buchhandel.




Mittwoch, 20. August 2014

Mal wieder in Heidelberg



Noch bis Ende September zeigt das Kurpfälzische Museum in Heidelberg die Ausstellung „Eine Stadt bricht auf - Heidelbergs wilde 70er".  Die haben wir uns gestern angesehen und ich konnte ein bisschen in Reminiszenzen schwelgen. Immerhin habe ich 1978 - 80 meine Buchhändler-Ausbildung in Heidelberg gemacht und dort die letzten Zuckungen der wilden Jahre miterlebt. Bei aller inzwischen persönlich erreichten Distanz habe ich doch bedauert, dass ein Heidelberger Ereignis dieser Zeit überhaupt nicht vorkam: die Wahl einer Kandidatin des „Kommunistischen Bundes Westdeutschland" in den Stadtrat. Helga Rosenbaum wurde 1975 gewählt und 1976 mit den Stimmen aller anderen Stadtverordneten ausgeschlossen. Das machte immerhin bundesweite Schlagzeilen. Es ist für mich heute nur noch witzig, wahrzunehmen, wie sehr die alten Gräben zwischen Spontis und Maoisten immer mal wieder aufscheinen - und hier hatten wohl die Spontis das Sagen. Illustrierend der Stadtplan zu Beginn der Ausstellung, auf dem die Punkte der Auseinandersetzung um Abriss und Neubau eingezeichnet und mit Vorher/Nachher-Bildern erläutert werden, sehr amüsant das Buchregal mit zahlreichen  „einschlägigen" Titeln zu Dritter Welt, Frauenpolitik und Soziologie, und auch die großformatigen Zeichnungen von Marie Marcks und Franziska Becker (der im Oktober eine eigene Ausstellung gewidmet wird) haben mir gut gefallen. 



 


Dann habe ich ein altes Versäumnis endlich beseitigt und mir Friedrich Eberts Geburtshaus angesehen. Nicht zuletzt nach Klaus Gietingers beiden Bänden „Eine Leiche im Landwehrkanal" und „Der Konterrevolutionär" haben sich meine erheblichen Zweifel an der Aufrichtigkeit der SPD-Führung 1918 bestätigt, und ich fürchtete, im Museum ein glorioses Bild des Reichspräsidenten präsentiert zu bekommen. Tatsächlich hat mir die Präsentation sowohl formal wie inhaltlich gut gefallen, und wer aufmerksam liest, kann feststellen, dass Eberts Haltung, es müsse unbedingt zu einer „legalen" Machtübernahme vom Kaisertum zur Republik stattfinden, was ja dann zu dem albernen Kaspertheater mit Max von Badens Zwischenspiel führte, durchaus wahrgenommen wird. Das ganz neu und modern ausgestattete Museum ist unbedingt einen Besuch wert. Im Seitenbau steht noch bis EndeAugust eine Tafel-Ausstellung über Erich Maria Remarque, „militanter Pazifist".  

Auf dem Weg guckten wir noch in die Peterskirche



wo eine junge Frau beeindruckend auf der großen Klais-Orgel von 1984 spielte. 



Schließlich waren wir noch in der Unibibliothek und haben die kleine Kabinettausstellung über Marie Luise Gothein angesehen. Selbst ich hatte schon einmal von Ihrer „Geschichte der Gartenkunst" gehört, aber das ist ein Thema, das mich nicht so wahnsinnig interessiert. 


Glücklicherweise richtet die Ausstellung auch einen Fokus auf die Biographie der Autorin. Anhand von Briefen und Fotografien lässt sich das Leben dieser ungewöhnlichen Frau nachvollziehen, die trotz ihrer persönlich selbstbewussten und intellektuellen Haltung sehr weit weg vom politischen und feministischen Fortschritt der zwanziger Jahre lebte. Die UB hat dankenswerterweise eine ausführliche Zusammenstellung von Originaltexten und Quellen online verfügbar gemacht. 

Und natürlich haben wir auch noch auf das Schloss geguckt, diesmal von oben. 



Montag, 18. August 2014

Sonntagmittag am Rande der Großstadt

Gestern machten wir einen spontanen kleine Ausflug nach Frankfurt-Höchst. Obwohl wir beide jahrelang in Frankfurt gelebt haben und eigentlich immer noch ganz vertraut mit der Stadt sind, ist uns Höchst bis jetzt fast ganz unbekannt geblieben. Ich bin zwar ein paar Mal am dortigen Mainufer gewesen, aber weder die Altstadt noch die Justinuskirche hatten wir bis dahin gesehen.


Der Höchster Schloßplatz - schönster Platz Frankfurts? 

Eingang zum Schloßhof 

Schloßgraben

Schloßbastion zum Main 






Die Justinuskirche ist die älteste Kirche im Frankfurter Stadtgebiet und überraschend gut erhalten. Die Kapitelle der Säulen wirken unglaublich frisch - es ist kaum zu glauben, dass sie 1200 Jahre alt sind. 






Blick vom Main (Süden) 

Der romanische Teil (Nordfassade)

Blick von Südwest. Das ursprüngliche Portal in der Westwand ist verschwunden. 
Hinten rechts der gotische Chor 


Blick zur Orgel nach Westen 

Blick ins nördliche Seitenschiff 


Blick nach Osten in den gotischen Chor. Oben .. 



Fresken 

Die Innenstadt ist voller lauschiger Wege und Plätze - die Fachwerkidylle ist beeindruckend und hat uns sehr überrascht. 





Schließlich hatten wir noch einen Kaffee am Mainufer - auch sehr schön - und den Blick auf die City 





 Frankfurt-Höchst - nice place to visit!

Freitag, 15. August 2014

Archivrecherche the personal way

Manchmal brauchst Du ganz schnell eine Information aus einem Zeitungsarchiv.
Und meistens brauchst Du dazu eine Registrierung.
Heute suchte ich nach einer Rezension aus der Süddeutsche Zeitung vom 9. 7. 2004. Wie gewünscht habe ich mich also als Nutzer online angemeldet, aber die Registrierungsprozedur scheiterte - "interner Fehler". Das habe ich um 14:15 Uhr gemeldet, um 14:46 hatte ich die Antwort, man wisse um das Problem. Es sei aber möglich, meine Recherche "so" zu erledigen. Um 15:13 habe ich meine Suche übermittelt, um 15:28 war der gesuchte Artikel in meinem Postfach.
Liebe Frau D.S. von der Kunden- und Partnerbetreuung der SZ: ganz toll und vielen Dank!


Donnerstag, 14. August 2014

Erster Beitrag

Ich habe keine Ahnung, wie oft und wie lange ich hier Beiträge veröffentlichen werde.

Mir war nur gerade danach, manches an einer Stelle zum Nachlesen aufzuschreiben, weil ich selbst weder bei Facebook noch bei Google+ mit den angebotenen Recherche-Möglichkeiten zufrieden bin.

Vielleicht nutzt das ja außer mir auch der einen oder dem anderen von Euch, dass ihr an einer Stelle Posts von mir wiederfinden könnt.

Der Titel ist natürlich eine Hommage an meinen großen kleinen Landsmann Lichtenberg, der mit diesem wie mit hunderten weiterer Aphorismen jeweils in knappen Worten ein ganzes Blütenfeld von Assoziationen vor uns legt. Bedient Euch!